Der ESV in Baku – Schwingen am Kaspischen Meer
Wenn jemand gesagt hätte, dass Schwingen einmal bis an die Ufer des Kaspischen Meeres zieht, hätten wir wohl gelacht. Doch genau das passierte vom 08. - 13. Oktober 2025, als der Eidgenössische Schwingerverband (ESV) zur Teilnahme an den SwissDays 2025 in Baku eingeladen wurde. Die Veranstaltung wurde von der Schweizer Botschaft in Aserbaidschan organisiert – und sie bot die perfekte Bühne, um den Schweizer Nationalsport fern der Alpen zu präsentieren.
Als es darum ging, eine Delegation zusammenzustellen, hiess es: „Wer hat Lust auf ein Abenteuer im Osten?“ – und die Schwinger aus dem Nordostschweizerischen Schwingerverband waren sofort dabei. Aus den anderen Teilverbänden meldete sich leider niemand – also machten sich die Nordostschweizer kurzerhand allein auf den Weg, um die Schweizer Farben in Baku zu vertreten. Und das taten sie mit Stolz, Herz und Humor!
Die Delegation bestand aus:
- Reto Bleiker, Vertreter des ESV
- Daniel Bösch, Trainer
- Gian Maria Odermatt, Karim Leuppi und Andrin Poltera, als Schwinger
Reto Bleiker, Gian Maria Odermatt, Andrin Poltera, Karim Leuppi, Daniel Bösch
Kaum war die Delegation zusammengestellt, war klar: Hier reist nicht nur eine sportliche Truppe, sondern auch ein neugieriger Haufen Entdecker! Zwischen Training, Vorführungen und offiziellen Anlässen wollten sie natürlich alles erkunden – vom Stadtzentrum über die historischen Sehenswürdigkeiten bis hin zum lokalen Nightlife. Ganz nach dem Motto: „Wenn wir schon am Kaspischen Meer sind, darf ein kleiner kultureller und kulinarischer Abenteuertrip nicht fehlen!“
Ankunft mit Chauffeur – fast wie Staatsgäste
Schon bei der Ankunft in Baku war klar: Hier wird’s gut. Wartete am Flughafen doch schon der angekündigte Abholservice. Und tatsächlich: Ein Mercedes war da!
Allerdings handelte es sich eher um ein älteres Modell mit viel Geschichte, Charakter und ohne Klimaanlage. Bei 20 Grad um Mitternacht wurde es im Wagen schnell gemütlich warm – oder sagen wir: „tüppig“. Doch die Stimmung war bestens!
Mit offenen Fenstern, frischer Nachtluft und einem Fahrer, der nicht nur stolz auf seine Stadt, sondern insbesondere auch auf die Hupe seines Autos war, rollten wir durch das nächtliche Baku. „Wenn das keine VIP-Behandlung ist!“, meinte einer der Schwinger schmunzelnd. Und irgendwie hatte er recht – die Fahrt war charmant, ehrlich und unvergesslich.
Schwingen trifft Ringen – Kraft, Technik und viel Respekt
Ein besonderes Highlight war das Treffen mit den Nationalkader-Ringern aus Aserbaidschan. Diese jungen Athleten sind ehrgeizig, top trainiert und strotzen nur so vor Energie. Besonders spannend: Das aserbaidschanische Pahlevan-Ringen ist dem Schwingen erstaunlich ähnlich – deutlich näher jedenfalls als das olympische Ringen.
Beide beginnen aus dem Stand, verlangen Kraft, Gleichgewicht, Technik und das richtige Timing – und beide leben vom gegenseitigen Respekt und einem kräftigen Händedruck vor dem Kampf. Ein wichtiger Unterschied, der das Pahlevan-Ringen noch näher an Schwingen rückt: der Griff erfolgt direkt an der Hose, genau wie beim Schwingen.
Während sich unsere Schwinger im Stand sehr gut behaupteten, zeigte sich am Boden die grosse Stärke der Aseris: flink, explosiv und mit beeindruckender Technik. Doch was uns besonders gefiel, war ihr Humor und ihr Schalk.
Selbst in den Pausen konnten sie es kaum lassen – plötzlich kam einer grinsend von hinten, packte beherzt zu und versuchte, den einen oder anderen Schwinger aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ganz nach dem Motto: „Wenn wir schon weniger Masse haben, dann eben mehr Überraschung!“
Das sorgte für viel Gelächter auf beiden Seiten – und für ein paar spontane, aber freundschaftliche Revanchegriffe. Sport verbindet eben, besonders wenn man gemeinsam lacht.
Gruppenbild nach dem ersten gemeinsamen Training
Schwingerwürdige Verpflegung und bestes Wetter
Nach getaner Arbeit braucht’s Stärkung – und Baku liess sich nicht lumpen. Fleisch, Fleisch und nochmals Fleisch, dazu frisches Fladenbrot, würzige Beilagen und süsser Tee – eine Verpflegung, wie sie jedem Schwinger Ehre macht!
Was wir allerdings erst nach ein der zweiten Mahlzeit erfuhren: In Aserbaidschan gilt es als unhöflich, den Teller leer zu essen. Denn ein leerer Teller bedeutet, dass man noch Hunger hat – und so wird immer wieder nachgeschöpft, mit ehrlichem Lächeln und bestem Willen. Erst wenn man ein bisschen etwas übrig lässt, weiss der Gastgeber: Jetzt ist der Gast satt.
Da war uns dann auch klar, warum der eine oder andere etwas schwerfälliger vom Stuhl aufstand… und warum die Gastgeber ständig lachten, wenn wir brav alles aufgegessen hatten.
Dazu kam das perfekte Wetter: Sonne satt, T-Shirt-Temperaturen und ein laues Lüftchen vom Kaspischen Meer.Einige meinten, man könne das Sägemehl eigentlich auch gleich an den Strand verlegen. Wir gerne hätten wir mit "unserem" Trainer Oyan Nazariani noch eine Einheit im Beach Wrestling gemacht, doch der Zeitplan war schlicht zu knapp.
SwissDays 2025 – Begeisterung für die Schweiz (und fürs Schwingen)
Die SwissDays 2025 selbst waren ein voller Erfolg. Zwischen Schweizer Innovation, Musik und Kultur durfte natürlich auch der Sport nicht fehlen. Neben unserem Auftritt der Schweizer Schwinger gab es spannende Live-Vorführungen sowohl des Schweizer Schwingens als auch des aserbaidschanischen Pahlevan-Ringens. So konnten die Besucher direkt die Parallelen, die Techniken und die Eleganz beider Disziplinen erleben – und natürlich staunen, wie viel Kraft, Balance und Geschick dafür nötig ist.
Unser Auftritt als Vertreter des ESV zog viele neugierige Besucherinnen und Besucher an. So unter anderem die mehrfachen Olympia-, WM- und EM-Medaillengewinner:in Maria Stadnik und Rafiq Huseynov. Notabene zwei absolute Nationalhelden in Aserbaidschan.
Mit Staunen beobachteten sie, wie sich zwei kräftige Männer im Sägemehl messen – höflich, fair, aber mit vollem Einsatz. Bald schon standen Kinder, Erwachsene, ein paar Ringer und sogar Botschafter aus anderen Länder Schlange, um selbst ein paar Schwinggriffe auszuprobieren.
Die Freude und Begeisterung der Bevölkerung war ansteckend. Viele zeigten grosses Interesse an der Schweiz, ihrer Kultur – und natürlich an unserem Nationalsport. Man spürte, dass dieser Austausch weit über das Sportliche hinausging.
Gruppenbild anlässlich der SwissDays 2025
Ein grosser Dank an die Schweizer Botschaft
Ein ganz besonderes Dankeschön gilt Botschafter Thomas Stähli und seinem grossartigen Team von der Schweizer Botschaft in Baku.
Ohne ihre Organisation, Unterstützung und Herzlichkeit wäre dieses Erlebnis nicht möglich gewesen. Von der Logistik über die Betreuung bis zur Vermittlung zwischen den Kulturen – alles lief reibungslos und mit echter Schweizer Präzision (und einer guten Portion Humor). Danke für die Einladung, die tolle Betreuung und das Vertrauen, den ESV in Baku vertreten zu dürfen!
Botschafter Thomas Stähli mit Frau Nadereh
Fazit: Eine Reise voller Eindrücke und Freundschaften
Die Tage in Baku waren für uns alle eine einmalige Erfahrung. Wir durften eine neue Kultur kennenlernen, ehrliche (Sport-)Freundschaften knüpfen und die Schweiz auf sympathische Weise vertreten.
Die Gastfreundschaft, das Interesse der Menschen, das gemeinsame Lachen und die sonnige Stimmung machten diese Reise zu etwas ganz Besonderem.
Mit einem grossen Lächeln, neuen Freunden und vielen unvergesslichen Erinnerungen sagen wir:
Teşekkür ederik, Baku – und guet gschwunge!
Reto Bleiker
Leiter der Geschäftsstelle ESV
